Mittwoch, 17. August 2011

Rezension: Neva (Sara Grant)

Offizielle Kurzinfo

Die 16-jährige Neva hat es satt, keine Antworten auf Fragen zu bekommen, die sie nicht einmal laut stellen darf: Warum wird ihr Heimatland von einer undurchdringbaren Energiekuppel von der Außenwelt abgeschottet? Warum verschwinden immer wieder Menschen spurlos? Und was ist mit ihrer Großmutter geschehen, die eines Tages nicht mehr nach Hause kam? Gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sanna beschließt Neva, Antworten zu verlangen und nicht mehr brav alle Gesetze und Regeln zu befolgen. Doch dabei verliebt sie sich nicht nur in den einen Jungen, der für sie tabu sein muss – sondern gerät auch in tödliche Gefahr … 



Gebundene Ausgabe
erschienen im PAN Verlag
Preis: 16,99€

Zum Inhalt:

Neva ist gerade 16 und somit erwachsen geworden. Sie und ihre Freundin Sanna veranstalten zu diesem Anlass eine „Dunkelparty“, in der sie zum Protest gegen die Regierung aufrufen. Einige der Partygäste flüchten sofort aus dem Raum, andere jedoch wollen helfen und so planen sie eine Protestaktion. Als diese scheinbar erfolgreich gelingt, fühlen sich alle glücklich und beflügelt. Doch bald müssen sie feststellen, dass der Regierung nichts entgeht. Neva und Sanna bekommen Schwierigkeiten und geraten in den Strudel der Regierung, die nun jede ihrer Schritte verfolgt. Doch Neva bekommt die einmalige Chance direkt an der Quelle, der Regierung, Informationen zu sammeln und sie gegen sie zu verwenden. Doch das bleibt nicht ohne Folgen...

Bei diesem Buch handelt es sich um eine der zur Zeit sehr begehrten dystopischen Geschichten. Ich habe bisher „Cassia & Ky“, Die Tribute von Panem“ und „Die Stadt der verschwundenen Kinder“ gelesen, die ebenfalls zu den Dystopien gehören. All diese Bücher haben mir sehr gefallen und so wurde ich auf „Neva“ von Sara Grant aufmerksam.

Die Gesellschaft:

Neva und ihre Freunde sehen sich alle sehr ähnlich, verursacht durch jahrelange Inzucht. Aufgrund der Abschottung zur Außenwelt sind alle Bewohner sich immer ähnlicher geworden. Selbstgestochene Tattoos und andere Körpermerkmale werden genutzt, um sich voneinander zu differenzieren.
Neva und Sanna veranstalten eine „Dunkelparty“, denn hier sind sie nur noch auf ihre Sinne und Gefühle angewiesen. Es entfällt die optische Relevanz, es zählt nur noch die Einzigartigkeit der Mitmenschen. Bei dieser Party rufen Sanna und Neva zum Protest auf: sie fordern die Öffnung der Protektosphäre, in der festen Überzeugung, dass es außerhalb noch Leben gibt. Die Regierung streitet ab, dass ein Leben außerhalb möglich wäre – die toxischen Gase würden jeden sofort töten. Sie bezeichnen die Protektosphäre als Sicherheits- und Filtersystem, bestehend aus durchsichtigen, elektrisch geladenen Platten, die sie alle beschützt. Doch es gibt in der Gesellschaft noch mehrere Faktoren, die Neva skeptisch machen: nur ein einziges Buch wird noch produziert, das zensierte Geschichtsbuch der Regierung, für das ihr Vater verantwortlich ist. Durch den Mangel an Babys werden im Kino zum Sex animierende Filme gezeigt und die Jobs werden den Jugendlichen vom Komitee für Stellenvergabe zugeteilt. Zudem herrscht im Land Lebensmittelknappheit, die Gefängnisse sind überfüllt und es gibt massenweise vermisste Personen, deren Fehlen jedoch totgeschwiegen wird. Neva findet das alles nicht normal und beginnt Fragen zu stellen: Wieso lässt die Regierung Menschen verschwinden, wenn sie nichts zu verbergen hat? Ebenfalls schockierend: Ihre Protestaktion geht nicht nur nach hinten los, nein, die Regierung nutzt sie sogar noch positiv für sich, indem sie die Protestworte ein wenig verändert: Zitat, Seite 59: „Immer wieder stelle ich mir vor, wie jemand unsere harte Arbeit mit einem einzigen kleinen Zusatz zerstört und dadurch unseren Aufruf zu Rebellion und Freiheit in einen Schrei nach stärkerer Kontrolle verwandelt.“

Zeitrechnung:

In einem alten Zeitungsbericht, den Neva findet, wird erwähnt, dass die Protektosphäre im Jahre 2051 versiegelt wurde. Wie viele Jahre seitdem genau vergangen sind wird nicht erwähnt, aber ich gehe von mindestens 100 Jahren aus, da sich Nevas jüngste Vorfahren (Urgroßmutter auf jeden Fall) innerhalb der Energiekuppel geboren wurden. Die Zeitrechnung wurde von vorne begonnen (01.01.01) nach dem Ereignis, das alle den „Terror“ nennen – der „Capitol-Komplex“, das ehemalige Machtzentrum der Regierung, wurde von Terroristen zerbombt. Fast alle Politiker und viele Menschen starben dabei. Was genau vor dem „Terror“ alles geschehen ist wird ebenfalls totgeschwiegen. Die Ruinen wurden erhalten, als Mahnmal und Resultat vom „Abwenden von Gleichheit und Patriotismus“.

Charaktere:

Neva ist eine sehr aufgeweckte und sympathische Person, ich habe sie sofort ins Herz geschlossen. Ihren Namen gab ihr ihre Großmutter, die ihr sehr nahe stand, bis sie schließlich vor 10 Jahren spurlos verschwand. Sie lehrte sie, kritisch zu sein und nicht alles kommentarlos hinzunehmen, was in der Welt geschieht. Auch Nevas beste Freundin ist ein gesellschaftskritisches Mädchen, daher rufen beide zum Protest auf. Sannas rebellierendes Wesen lässt jedoch bald etwas nach: Ihr Freund Braydon bittet sie aufzuhören. Sanna steht mit ihm eine wunderbare Zukunft bevor, daher beschließt sie, das Protestieren ihm zu Liebe zu beenden. Zitat, Seite 79: „Auch sie veränderte sich, genau wie Ethan. Es ist, als würde man dabei zusehen, wie aus einem lodernden Feuer plötzlich ein Haufen glimmender Kohle wird.“ Neva ist frustriert, denn nicht nur Sanna durchläuft eine Wandlung. Auch ihr eigener Freund, Ethan, hat sich sehr verändert. Seit er wegen eines kleinen Regelverstoßes von der Polizei in die Mangel genommen wurde, ist er nicht mehr derselbe. Er möchte Neva nun heiraten und Kinder mit ihr haben, wobei sie sich doch alle hoch und heilig geschworen haben, keinen Sex zu haben, solange sie sich nicht sicher sein können, dass sie keine neue Generation wie die ihrige zeugen werden. Sanna, Ethan und Braydon setzen Neva also unter Druck mit dem rebellieren aufzuhören, doch sie gibt nicht auf.
Auch Nevas Vater spielt eine wichtige Rolle in diesem Buch. Er ist der Minister für Altgeschichte und gibt das Geschichtsbuch heraus. Somit ist er als Regierungsmitglied Nevas indirekter Gegner. Zitat, Seite 89: „Eigentlich möchte ich Dad fragen, wie es wohl ist, wenn man nicht mehr hinterfragt, was man denkt oder was man tut. Wenn man Entscheidungen trifft, ohne darüber nachzugrübeln, ob die andere Wahl nicht die bessere gewesen wäre.“ Er ist der typische Workaholic – er ist fast nie daheim und wenn doch, redet er kaum mit Neva. Seine kurzen Gespräche mit ihr beschränken sich auf Ermahnungen. Er verlangt von ihr nicht aufzufallen, ihn nicht in Verlegenheit zu bringen und bezeichnet ihr Tattoo als unzumutbar, denn es wurde doch extra auf die Gleichheit der Bevölkerung hingearbeitet. Er „rettet“ Neva nach der missglückten Protestaktion vor der Polizei, in dem er sie bei sich einstellt, um sie so selbst genau im Auge behalten zu können. Stellt dies zuerst den totalen Horror für Neva dar, wird ihr nach und nach bewusst, dass sie nun genau an der Quelle sitzt und spezifischere Nachforschungen anstellen kann. Dort macht sie einige Entdeckungen, die ihr die Luft rauben und sie vollkommen sprachlos zurücklassen.
Als hätte sie nicht schon genug Probleme, bahnt sich zwischen ihr und Sannas Freund Braydon, etwas an. Beide küssen sich leidenschaftlich auf der Dunkelparty, er jedoch sagt Sanna kurz darauf, dass sie die eine für ihn sei. Neva ist durcheinander, sie fühlt sich wahnsinnig zu ihm hingezogen, möchte aber natürlich ihre beste Freundin Sanna nicht verletzen. Zitat, Seite 81: „Braydon hat meine Freundschaft zu Sanna vergiftet: Der Loyalität und der Zuneigung, die ich für sie empfinde, stehen nun meine Gefühle für ihren Freund gegenüber.“ Braydon selbst hingegen kann sich nicht entscheiden, für welche der beiden Mädchen sein Herz schlägt.

Fazit:

Ich finde dieses Buch sehr mitreißend: Man durchlebt so ziemlich alle Gefühle, die man durchleben kann. Man selbst wird ganz unruhig und will mit Neva mitrebellieren, man trauert mit ihr um ihre Großmutter, man leidet mit ihr wegen Braydon, man bedauert sie um ihren Vater und bewundert sie für ihren Mut. Ich finde die Auflösung um das Geheimnis der Protektosphäre sehr gelungen, man erfährt es zirka nach der Hälfte des Buches. Es wird danach jedoch keinesfalls langweilig, im Gegenteil.

Ich konnte mir Nevas Welt bildlich sehr gut vorstellen. Es wurden nur wenige Details beschrieben, doch genau das ist es, was ich an guten Büchern schätze: Es wird dem Leser überlassen, sich die Welten im Kopf genauer auszumalen. Auch besonders toll finde ich die Tatsache, dass man direkt mit der 1.Protestaktion in die Handlung hineinkatapultiert wird. Durch das Lesen vieler Trilogie- oder Reihenauftäkte allgemein, bin ich es mittlerweile gewohnt, dass alles ein bisschen langsam beginnt. Doch hier merkt man, dass es sich um einen Einzelband handelt. Es gibt keine schleichende Entwicklung, dieses Buch könnte man von der Spannung her dem Finalbuch einer Reihe gleichsetzen, super! Das Ende war etwas überstürzt, aber durchaus glaubhaft. Etwas verwirrend, aber es hat sich alles aufgelöst. Mir fuhr ein Schauer durch den ganzen Körper, als ich die letzte Seite las... Ein wirklich, wirklich tolles All-Age Buch :-) Eines der Besten, die ich dieses Jahr gelesen habe. Also: Bestellen, kaufen, lesen!

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